Ein Herz für Krisen 💝
Nun ist es über ein Jahr her, seitdem ich hier einen Beitrag verfasst habe. Ich könnte jetzt darüber berichten, dass die unerwartete Pflegebedürftigkeit meines Vaters Schuld daran hat. Oder die Bissverletzung meines armen Hundes an einem Sonntag. Oder der plötzliche Tod meines Cousins.
All diese Schicksalsschläge haben mich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder emotional an den Rand des Wahnsinns gebracht, ja so ist es! Und doch…
… weiß ich genau, dass das nicht der einzige Grund war. Ich habe schlicht und ergreifend den Fokus verloren. Obwohl ich als Genusstrainerin bestens darüber Bescheid weiß, wie man sich selbst vor mentaler Überlastung schützen kann habe ich meinen eigenen Schutz komplett vernachlässigt. War stetig im Außen unterwegs. Habe meine freie Zeit lieber mit der Ablenkung (Daddeln, Fernsehen) als mit wahrem Genuss (Romantik Abend zu zweit, mit Hund spielen, kreativ sein) verbracht… einfach, weil es einfacher war.
Das Gehirn ist schon ein echt hinterlistiges Wesen. Stets auf der Suche nach dem „schnellen, einfachen Kick“, flüstert es Dir andauernd Dinge ins Ohr, die es unbedingt haben will.
„Zucker. JETZT!“ – zack, Schoki geholt.
„Fettig, saftig, herzhaft. Pronto!“ – zack. Das goldene M auf dem Weg wird zum spontanen Aufenthaltsort.
„Los – spiel das Spiel mit dem süßen Hund!“ – zack. Handy an- und Kopf ausgeschaltet.
Was das Ganze mit Krisen zu tun hat? Das erzähle ich Dir jetzt:
Jede Krise, die wir als solche definieren (und ja, das entscheiden wir selbst) ist ein guter Grund, sich so richtig im Selbstmitleid zu wälzen. Mein Gott, was habe ich mir leid getan – mein Vater hat Demenz und ich armes Wesen muss mich kümmern. Eine Bürde, die natürlich schwer wiegt – vor allem die Zeit, wo er noch nicht im Pflegeheim war. Doch dann habe ich mich zu sehr gehen lassen. Die Komfortzone wurde immer enger. Ich bewegte mich weniger, aß immer öfter ungesund. Und dann passierte es:
Die L. M. A. A. Stimmung kam angerollt. Mir wurde immer mehr egal. Ich begann, den Haushalt noch mehr zu vernachlässigen als ohnehin schon (die wohl einzige Oberflächlichkeit, die ich mir gönne hihi) und ich verlor mich in Serien der 90er Jahre, anstatt an meinem Blog oder meinem Buch zu schreiben.
Na gut – diese alten Serien liebte ich schon immer. Aber so begann halt der große Teufelskreis der Selbstvernachlässigung und somit verlor sich ganz nebenbei ein großes Stück Lebensfreude.
Hm – wie schlage ich jetzt den Haken zurück zum „Herz für Krisen“ – es ist wohl ziemlich deutlich geworden, dass meine persönlichen Krisen so viel mit Herz zu tun hatten wie Hannibal Lecter mit Gemüse.
Doch ich möchte mit diesem Blog dafür plädieren, dass wir uns die beiden Seiten des Glücks einmal vor Augen führen. Alle reden immer von „Licht und Schatten“ oder „Sonne und Mond“. Es gibt halt auch Glück und Unglück. Freud‘ und Leid. Leben und Tod.
Wir tun gut daran, beide Seiten zu respektieren und als Bestandteil des Lebens anzunehmen. Je besser wir damit umzugehen lernen, dass Dinge nun einmal nicht immer so passieren wie von uns erhofft, können wir die Hürden des Lebens wie Treppen oder Hindernisse auf unserem Weg überwinden. Mit mal mehr und mal weniger Selbstmitleid. Wichtig ist zum Einen darüber zu REDEN und zum Anderen, sich Schritt für Schritt zurück ins AKTIVE LEBEN zu begeben. Das Tempo bestimmen wir dabei selbst.
So habe ich zum Beispiel wieder damit angefangen, Tagebuch zu schreiben. Nicht viel. Nur ein kurzer Tagesplan am Morgen, um den Kopf frei zu bekommen. Und natürlich die Überlegung, wie ich mich fühle. Ganz wichtig! Ich starte den Tag jetzt immer auf unserer Dachterrasse. Mit mir selbst. Ohne Handy, sogar ohne Tasse Tee oder Kakao (ich trinke gar keine Kaffä…) – mit geschlossenen Augen und tiefen Atemzügen beginne ich dort auf meiner Bank sitzend den Tag. Das hat mir sehr dabei geholfen, die Dinge wieder etwas neutraler zu betrachten und mein Wohlbefinden an erste Stelle zu setzen. Schließlich brauche ich die Energie, um sie mit meinen Liebsten zu teilen.
Was aber wichtig ist:
Sollte Dich mal eine Krise so treffen, dass Du fachliche Hilfe benötigst zögere bitte nicht, Dir diese Hilfe auch zu holen. Der Patienten-Service unter der Nummer 116 117 kann Dir z. B. zeitnah einen Termin beim Psychologen oder einer Therapeutin beschaffen.
Ich als Psychologische Beraterin darf weder Heilungsversprechen noch Diagnosen aussprechen, biete jedoch gerne an Dir bei Bedarf Kontakte zukommen zu lassen. Hauptsache, Du weißt, dass Du nicht alleine bist.
Um die Stimmung am Ende nochmal ein wenig zu retten: Wusstest Du, dass „krisenerprobte“ Menschen oftmals eine längere Lebenserwartung haben als Menschen, die keine nennenswerten Tragödien in ihrem Leben kennenlernten? Das ist doch endlich mal eine gute Nachricht, findest Du nicht? 😄👍