Der dreckige Jogginganzug

Der dreckige Jogginganzug

Ich gebe gern zu: Dieser Titel mag zunächst irritieren.

Doch in diesem Beitrag geht es um Resilienz, Stressmanagement und vor allem Achtsamkeit.

Was hat bitteschön ein Jogginganzug mit Resilienz zu tun, vor allem in dreckigem Zustand?! 

Das kann ich Dir gerne erzählen:

Wie Du vielleicht weißt, bin ich seit ein paar Jahren die pflegende Angehörige meines dementen Vaters. Ich begleite ihn zum Arzt und kümmere mich um alles, was anfällt.

Die Situation war damals so, dass ich ihn morgens abholen und direkt zur Zahnärztin fahren wollte. Da er damals bereits im Pflegeheim untergebracht war, brauchte ich mich nicht mehr ums Wecken kümmern und es würde recht schnell los gehen.

So dachte ich zumindest. 

Als ich in sein Zimmer kam, lag er jedoch in einem dunklen Jogginganzug auf seinem Bett und war so gar nicht guter Laune. Ich redete mit Engelszungen auf ihn ein. 
Schließlich erhob sich mein Dad und ich wollte ihm seine gute Kleidung anziehen. 

„Quatsch, ich habe doch schon was an!“ 

Ich schaute irritiert an ihm herunter und wurde unruhig. Denn wir hatten keine Zeit mehr übrig.
Aber zum Arzt im ollen Jogginganzug?! 

Das hätte mein Vater früher niemals getan! 
Er gehörte zu den Menschen, die so labbrige Stoffhosen überhaupt nicht mochten. Zumindest bis zur Demenz.

Es half alles nichts, wir mussten los. 

Ich fuhr ihn in die Praxis und wir setzten uns ins Wartezimmer. Erst jetzt fiel mir auf, dass der Jogginganzug auch noch dreckig war. Kekskrümel und Flecken vom Abwischen zierten Jacke wie Hose. 

Mein Vater hatte es sich damals schon angewöhnt, statt einer Serviette lieber seine Klamotten zu nutzen, um die Hände sauber zu bekommen.

Ich schaute mich beschämt im Zimmer um und erwartete empörte Blicke der anderen Wartenden. Ja, ich fürchtete sogar einen lauten Aufschrei nach dem Motto: 

„Wie können Sie es wagen, Ihren armen Vater in diesem Zustand in die Öffentlichkeit zu zerren, Sie Monstrum? Haben Sie keine Manieren?!“

Doch niemand schaute uns an. Selbst die Ärztin schien nicht die Bohne irritiert zu sein. 
Und so wurde mir langsam klar, dass diese Scham, diese Fantasie der Verwahrlosung und des 
„So darf es nicht sein“ allein in meinem Kopf stattfand.

Es war „nur“ mein Gefühl. Das Gefühl der Scham und Peinlichkeit.

Ich atmete tief durch und entspannte mich langsam. Das war der Beginn meines inneren Wachstums. 

Dinge so sein zu lassen, auch wenn mein Kopf sich sträubt. 

Situationen anzunehmen, wie sie gerade sind. Und dennoch in der Lage zu sein, entspannt und ruhig zu bleiben.

Hey, natürlich klappt das nicht immer – aber immer öfter!

Seitdem bin ich als Genusstrainerin unterwegs und helfe Menschen dabei, innerlich genauso zu wachsen und ihrem Alltag mit mehr Selbstbewusstsein und Vertrauen entgegen zu treten.

Ich habe im Übrigen zum Thema „Umgang mit Demenz“ einen einfühlsamen Ratgeber veröffentlicht, der neben praktischer Tipps auch ganz viel Tools für Selbstfürsorge und Stärkung beinhaltet – klicke einfach HIER.

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